7. Paranoide Neurosendisposition

Psychischer Befund

Eine einsame Gestalt voller Hass und Angst, die den Hass und die Angst anderer auf sich zieht. Funktioniert äußerlich, zum Beispiel in der Schule, gut, fürchtet aber, von anderen angegriffen oder beschuldigt zu werden. Bezieht alles auf sich, als ob die ganze Welt gegen einen wäre. Neutrale oder freundliche Handlungen werden als feindselig oder abwertend fehlinterpretiert. Eigenes Versagen und eigene Schuld können nicht eingestanden werden, sucht die Verantwortung bei anderen. Übertrieben verletzbar, nachtragend und misstrauisch mit der Neigung, sich zu verschließen. Die Betroffenen können umgekehrt zu den wenigen, die vermeintlich auf ihrer Seite stehen, überzogenes Vertrauen zeigen. Brauchen dann ständig die Bestätigung, verstanden zu werden.

Biograph. Anamnese

Die elterliche Betreuung war nüchtern und kontrollierend bis feindselig, sadistisch strafend und erniedrigend. Mangel an empathischer Spiegelung des Kindes, ggf. bei gleichzeitiger Bevorzugung der Geschwister. Das Kind wurde wie ein kleiner Erwachsener behandelt und für bestimmte Aufgaben funktionalisiert. Es wurde für Fehler und Missgeschicke in vollem Umfang verantwortlich gemacht und mit unverhältnismäßigen Strafen (zum Beispiel tage- oder wochenlange Nichtbeachtung) belegt. Seine Bedürfnisäußerungen, sein Weinen und erst recht der Ausdruck von Aggression wurden unterdrückt. Es erhielt möglicherweise Anerkennung für gewisse Kompetenzen (sekundäre Fähigkeiten wie Fleiß, Leistung, Genauigkeit), aber nie eine Selbstbestärkung in dem Sinn, ein guter und liebenswerter Mensch zu sein. Die Eltern waren oft selbst misshandelte Kinder und zeigten selbst eine projektive Abwehr (zum Beispiel Ausländerhass).

Psychodynamik

Durch frühe emotionale Mangelerfahrungen konnte kein solides Urvertrauen entwickelt werden. Die Feindseligkeit des Umfeldes, die nicht bewusst werden darf, wird introjiziert. Auch die eigenen feindseligen Selbstanteile und aggressiven Impulse gegen die Betreuungspersonen als Reaktion auf frühe emotionale Mangelerfahrungen, Kränkungen und erlittenes Unrecht dürfen nicht bewusst werden und müssen durch Projektion und Externalisierung auf fremde Personen abgewehrt werden. Stavros Mentzos (1984) sieht in der nicht psychotischen projektiv-paranoiden Abwehr "allgemein-menschliche Versuche der Selbstversicherung und des Selbstschutzes gegenüber zwischenmenschlichen Unsicherheiten und Konflikten bei brüchigem Selbstbild und Selbstwertgefühl". Das persistierende regressiv-unbewusste Bedürfnis hinter dem Misstrauen ist das nach einem optimal spiegelnden, in gleicher Weise wie man selbst fühlenden und denkenden (Alter Ego), damit vollkommen vertrauenswürdigen und das eigene Selbst bestärkenden Objekt, mit dem, symbiotisch verbunden, man gegen alle Feindseligkeit der Welt gewappnet ist.

Schnellorientierung zur paranoiden Neurosenstruktur

Wesensmerkmale: funktioniert äußerlich gut, ist jedoch insgeheim misstrauisch, verletzbar, nachtragend und feindselig gegen andere, deshalb tendenziell einsam

Implizit-unbewusster Auftrag: Zeige mir, dass du absolut vertrauenswürdig bist, indem du mich völlig verstehst und die Welt so siehst wie ich; bestätige mir, dass die Welt schlecht ist; verbünde dich mit mir gegen die feindselige Außenwelt

Abgewehrt: Sehnsucht nach Vertrauen in die Welt, kritische Auseinandersetzung mit der Härte und Feindseligkeit im eigenen Elternhaus

Abwehrmechanismen: Die Feindseligkeit innerhalb der Herkunftsfamilie und die eigene Feindseligkeit werden verleugnet und externalisierend auf Fremde projiziert

Gegenübertragung: anstrengend, Externalisierung der Feindseligkeit ist schwer auszuhalten; unterschwelliger Ärger, in dem sich möglicherweise der generelle Groll des Patienten überträgt; ständig auf der Hut, den Patienten nicht zu enttäuschen

Unbewusster Grundkonflikt: Ich bin so sehr angewiesen auf Menschen, denen ich vertrauen kann, aber wo immer ich hinschaue, sehe ich, dass man niemandem trauen kann

Besonders vulnerabel für: intime Beziehungen, die Vertrauen erfordern, oder Enttäuschungen des Vertrauens