8. Narzisstische Neurosendisposition

Psychischer Befund

Wunsch nach bewundernder Liebe, Rücksichtnahme und Unterstützung. Größengefühl in Bezug auf die eigene Bedeutung, Leistung, Unfehlbarkeit und das eigene Talent. Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht und Schönheit. Überzeugung, besonders und einmalig zu sein. Erwartung besonders bevorzugter Behandlung. Ausnutzen von Beziehungen. Oft Mangel an Empathie, arrogante Verhaltensweisen, Bedürfnisse und Gefühle anderer werden nicht anerkannt. Gleichzeitig extreme eigene Verletzlichkeit gegenüber Kritik und Zurückweisung. Wenn andere die Unterstützung versagen oder eigene Schwächen offenkundig werden, kippt das Selbstkonzept in Richtung massiver Selbstvorwürf.

Biographische Anamnese

Übertriebene Vergötterung und Verwöhnung des Kindes durch die Eltern. Keine ausreichende Frustration und Realitätskonfrontation: Seine Majestät, das Kind, wird von der wirklichen Welt entthront (primär verwöhnte Kinder sind sekundär frustrierte). Die Eltern verlegen eigene unerfüllte (narzisstische) Wünsche und Ambitionen auf das Kind. Das Kind wird für imaginäre Eigenschaften geliebt. Gefahr, die Gunst der Eltern zu verlieren, wenn es Erwartungen nicht entspricht.

Psychodynamik

Keine ausreichenden Erfahrungen, wirklich um seiner selbst willen geliebt zu werden. Daher Mangel an echter Selbstliebe und Selbstwertgefühl. Ein wahres Selbst mit klarem Selbstbild konnte sich nicht entwickeln. Die scheinbare Vitalität, Autonomie und Kohärenz des Selbst wird mit einer Überhöhung des eigenen Größenselbst erreicht. Objektbeziehungen dienen der Selbsterhöhung und Selbstbestärkung. Persistierendes regressiv-unbewusstes Bedürfnis nach bedingungsloser Bewunderung und grenzenloser Bestätigung durch eine hochrangige andere Person, zum Beispiel Therapeut.

Schnellorientierung zur narzisstischen Neurosenstruktur

Wesensmerkmale: ist von seiner Privilegiertheit überzeugt, erwartet besondere Rücksicht und bevorzugte Behandlung, selbstherrlich, egozentrisch, sich selbst überhöhend; verzweifelte Versuche, Eindruck zu schinden; überaus empfindlich gegenüber Kritik und Zurückweisung

Impliziter/unbewusster Auftrag: Weise dich als der Beste deines Faches aus, erweise dich als meiner würdig; zeige mir, dass ich toll bin; bewundere mich uneingeschränkt; diene mir bedingungslos

Abgewehrt: tiefe Selbstzweifel und Selbstwertdefizite, Bedürfnis, um seiner selbst willen (auch ohne den ständigen Zwang zur Großartigkeit) geliebt zu werden

Abwehrmechanismen: kompensatorische, übertriebene und pseudolibidinöse Besetzung des eigenen Selbst und Selbstideals; einseitige Bevorzugung von (u. U. sozial und ökonomisch niedriger stehenden) Menschen, welche das ausbeuterische Beziehungsmuster mitmachen, Vermeidung von reifen symmetrischen Beziehungen

Gegenübertragung: u. U. tatsächliche Bewunderung für herausragende Fähigkeiten oder Qualitäten; Gefühl, ausgenutzt oder narzisstisch missbraucht zu werden; Müdigkeit, Langeweile, Leeregefühl oder Ärger

Unbewusster Grundkonflikt: Ich muss edler, schöner, reicher, extravaganter und berühmter als andere sein, damit ich mir immer der Bewunderung sicher sein kann; ich ertrage es nicht, wenn ich keine bevorzugte Position habe, deshalb muss ich immer etwas Ungewöhnliches tun

Besonders vulnerabel für: Selbstüberforderung, Scheitern und Kränkungen angesichts unvermeidlicher Grenzen (zum Beispiel bei nachlassenden Kräften oder verringerter Attraktivität mit fortschreitendem Lebensalter)